Salto rückwärts – Heckmotor bei VW


Volkswagen-Studie space up!. Foto: Auto-Reporter/PS/Z Mazar

Hintergrund: Salto rückwärts – Heckmotor bei VW

Was hat wohl dazu bewogen, einstmals Autos mit Heckmotor zu bauen? Jahrzehntelang setzten unzählige Pkw-Marken auf das Konzept „Antrieb und Motor hinten“. Kaum zu stören schien, dass solche Gefährte alsbald als die Heckschleuder-Fraktion verunglimpft wurden. Tapfer leistete der VW-Käfer solchem Vorwurf Widerstand, und auch andere namhafte Modelle konnten oder können sich noch immer darauf berufen, offensichtlich gerade wegen des Treibsatzes im Heck besondere Sympathien zu gewinnen. Exemplarisch gilt das für den 911er Porsche. Inzwischen sieht es so aus, als werde das Vorteilhafte eines solchen Antriebskonzepts neu entdeckt. Macht Volkswagen den Anfang?

Die VW-Studien „up!“, zur IAA gezeigt, und „space up!“ – in Tokio präsentiert – verfolgen gleich mehrere Orientierungen, an denen sich zeitgemäße Pkws ausrichten sollen. Genügsam beim Kraftstoffverbrauch sollen sie sein, wendig, bescheiden im Platzanspruch und dennoch verhältnismäßig großzügig beim Platzangebot für die Insassen. Und da sind dann ja auch noch die Anschaffungskosten, die zu einem kleinen Auto passen müssen. All das wird von Volkswagens neuer Kleinwagen-Generation, die quasi den Fox als bislang kleinsten VW ablösen soll, von vornherein erwartet. Eine Überraschung gibt es dann aber doch: Beide Studien haben Heckmotor. Davon ausgegangen werden darf sicher, dass er nicht auf der Strecke bleibt, wenn sich die Studien nach und nach zu serienreifen VW-Modellen mausern.

Was Volkswagen vorhat, wirkt wie ein entschlossener Salto rückwärts in die Vergangenheit, in der es neben dem Käfer und dem VW-Bulli (T1 bis T3) auch manch anderer Hecktriebler zu einer achtbaren Karriere gebracht hat. Abgesehen vom Dauerbrenner Porsche, verband die Heckmotor-Idee im Laufe der Jahre eine höchst unterschiedliche Modellfamilie. Spontan fällt einem da beispielsweise der NSU Prinz ein (samt seiner augenscheinlichen russischen Nachempfindung namens „Saporoshez“). Auch der Fiat 126 oder eher noch seine klassische Wurzel, der Fiat 500 (der gerade einen frontgetriebenen Nachfolger bekommen hat), zählt zu den Heckmotor-Klassikern. Ebenso erinnert man sich an den Tatra 603, und auch Skoda war mit dem MB 1000 und der S-100er-Reihe einmal dabei. Und da gab es ja auch das gern belächelte Goggomobil, das auf seine Weise offenbar beweisen wollte, dass eng gemütlich sein kann.

Eher den Kleinen als den Großen schien ein Heckmotor zu stehen. Ohne ihn war die urige BMW Isetta überhaupt nicht denkbar. Genau das gilt prinzipiell auch für große Reisebusse, bei denen sich ein Frontmotor allein wegen der überlangen Kardanwelle verbieten würde. Zudem unterstützen Heckmotoren das Bemühen, Ruhe in die Fahrgastkabine zu bringen. Dass ein im Heck platzierter Motor seine Vorzüge im Rennsport ausspielen kann, demonstrierte in den Sechzigerjahren Renaults erfolgreiche Dauphine. In Erinnerung sind deren erste Plätze bei der Rallye Monte Carlo, der Mille Miglia und bei der 12-Stunden-Hatz von Sebring.

Doch es kam die Zeit, in der es schien, als habe der Heckmotor im Alltagsauto seine Karriere hinter sich. Aktuell vermittelt allein der smart fortwo, wie ein solches Antriebskonzept verhältnismäßig „viel Auto“ auf engstem Raum realisieren lässt, auch wenn bei dieser Demonstration lediglich ein Zweisitzer heraussprang. Korrekt ist es eigentlich nicht, den smart als Zweisitzer immer wieder in eine Reihe mit Viersitzern zu stellen, sobald Sparmobile gekürt werden. Solche Mischung ist dennoch an der Tagesordnung.

Mit dem Vorhaben „up!“ und „space up!“ nimmt Volkswagen von vornherein Kurs auf einen Kleinwagen mit Heckmotor, der vier Personen Platz bietet. Angesichts der Vielzahl kleiner Autos, die heutzutage den Markt regelrecht überschwemmen, fragt man sich, warum der Heckmotor in diesem Segment bislang keine Chance bekam, obwohl er es doch offensichtlich vor allem ist, der ein subkompaktes Auto erst zu einer Art Raumwunder werden lässt. Eine der gedanklichen Brücken, die zur Antwort führen, heißt ESP. Wir erinnern uns: Erst seitdem der knackig-kurze smart-Typ fortwo die sichernde elektronische Assistenz erhielt, kommt er auch dann nicht mehr ins Trudeln, wenn sich Fahrsituationen so zuspitzen, dass sich unheilvolles Schleudern anbahnt.

Mögen erklärte Könner hinterm Lenkrad das elektronische Stabilitätsprogramm auch von der Seite ansehen und für überflüssig, ja sogar gefährlich halten, weil die Elektronik das Auto fremdbestimme – mittlerweile können die Befürworter solcher Assistenz eine bei vergleichender Fahrtests gewonnene Erkenntnis ins Feld führen: ESP lässt kritische Situationen besser bewältigen, macht das Fahren sicherer, indem es Schleudergefahren schon im Ansatz bannt. Der durchgängige markenübergreifende Serieneinsatz von ESP scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein.

Natürlich kommt man nicht daran vorbei, dass Vortrieb über Heckmotor und Hinterräder andere fahrphysikalische Besonderheiten hat als Frontmotor plus Frontantrieb oder auch Frontmotor und Heckantrieb. Inzwischen aber gibt es Rezepte, mit denen die oft ins Feld geführten Unarten von Heckmotor-Konzepten nachweislich in den Griff zu bekommen sind. Offenbar wird im lange aus dem Blickfeld geratenen Heckmotor nun die Chance gesehen, all das, was ein zeitgemäßes wendiges kleines (Stadt-)Auto auszeichnen soll, besser noch als mit Frontantrieb realisieren zu können.

Die ersten Mitglieder von Volkswagens „New Small Family“ wirken keineswegs wie zwergenhafte Gestalten. Zwar erreicht der „space up!“ mit 3,68 Meter Länge nicht ganz den Fox (3,82 m), er übertrifft aber den Lupo (3,52 m). Wie die Sympathiewelle für die beiden VW-Stars in Frankfurt und Tokio zeigte, können attraktiv verpackte innovative Heckmotor-Konzepte offenbar gerade automobiler Kleinheit zu einem deutlichen Zuwachs an Akzeptanz verhelfen.
(ar/PS/WR)

(Entnommen aus der aktuellen Ausgabe des Branchen-Informationsdienstes PS-Automobilreport – www.automobilreport.com)

Von Wolfram Riedel(autoreporter)

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