Hintergrund: China-Böller im Souterrain

Hintergrund: China-Böller im Souterrain

Eine Überraschung war es überhaupt nicht. Dass auch auf der Nordamerikanischen Internationalen Autoshow in Detroit immer mehr chinesische Automarken auftauchen werden, ist der Branche seit Langem bewusst. Bei der NAIAS gingen fünf chinesische Unternehmen an den Start. Über die Art und Weise ihres Auftritts, aber auch über die präsentierten Modelle macht sich vermutlich jeder eigene Gedanken, der Chinas Vorwärtsdrang auf Automessen live erlebt.

„China Automotive Review“ stellte auf der Titelseite der Januar-Ausgabe die Frage aller Fragen: „The Chinese are coming – in 2008?“ Erstmals in ihrer 101-jährigen Geschichte, hieß es weiter, erlebe die Detroiter Autoshow, dass gleich fünf chinesische Marken…

… ihre Modelle zeigten – solche nämlich, die für den nordamerikanischen Markt möglicherweise interessant sein könnten. In der ersten Reihe stellten sich die Chinesen vor Ort allerdings nicht auf. Während der Pressetage machten sie auf den Gängen vor dem eigentlichen Ausstellungsterrain, vor allem aber im Untergeschoss der Halle auf sich aufmerksam. Gewöhnlich wird diese Etage, gewissermaßen das Souterrain, von journalistischen Seh- und anderen Spähleuten nicht gerade überflutet. Zur Stunde chinesischer Pressekonferenzen aber war das anders. Wissbegier und Neugierde trieben erstaunlich viele Journalisten an die sonst eher verwaisten Stände der mehr oder weniger bekannten Marken.

Die Aussteller aus dem Reich der Mitte gaben sich ihrerseits alle Mühe, mit allen, die sich an ihren Exponaten interessiert zeigten, in freundlichen Kontakt zu treten. Bei der Pressekonferenz von Changfeng Motors, „Chinas Geländewagen-Pionier“, konnte beeindrucken, sicher aber auch ein wenig amüsieren, wie angestrengt und unerschrocken Chairman Li Jianxin seine Rede in holprigem Englisch hielt, in der er darauf verwies, wie intensiv sich sein Unternehmen bemühe, technologischen Fortschritt für sich zu reklamieren.

Zu Hilfe kommt Changfeng dabei wohl auch die Kooperationsvereinbarung, die 2002 mit der Mitsubishi Motor Corporation abgeschlossen wurde. Um ein passendes Sprichwort zu gebrauchen: Die chinesischen Autobauer schmoren längst nicht mehr im eigenen Saft. Schließlich zeigt man ihnen allerorten, wie’s geht, wie man’s machen muss, um wettbewerbsfähige Autos auf die Räder zu stellen. Ganz selbstverständlich wird betont und natürlich auch damit geworben, dass man sich inzwischen der „Germany Bosch Elektronik Injektion“ bediene und ebenso auf ABS und EBD „made in Germany“ setze; bei Shanghai Maple Auto zum Beispiel, der Marke mit dem grünen Ahornblatt, die ihre europäische Technologie preist.

Wann die chinesischen Marken, die in Detroit ausstellten, tatsächlich mit dem Vertrieb in den USA beginnen, sollte besser nicht von deren Beteuerungen abgeleitet werden. Der feste Wille mag da sein, aber die organisatorischen Hürden scheinen sich wohl doch nicht allein mit entschlossenem Schwung nehmen zu lassen. Fänden sich überhaupt Käufer? – Wenn die Chinesen dem technologischen Fortschritt weiterhin mit gleichem Tempo auf der Spur sind, bei den Preisen eine verführerisch niedrige Dollar-Schwelle und beruhigende Garantieversprechen im Auge behalten, dürfte sich durchaus Interesse an chinesischen Autoangeboten wecken lassen.

Allein vom Blick auf die hochmodernen Produktionsstätten oder neu geschaffenen Forschungs- und Entwicklungsstätten chinesischer Marken ist abzuleiten, dass deren erfolgreicher Vorstoß auf den Weltmärkten keine Frage der Zeit mehr ist. Die Chinesen kommen. Und sie planen in gewaltigen Dimensionen. Allein die rührige Marke Geely will 2015 zwei Millionen Autos bauen. Und auch verkaufen. Zwei Drittel davon sollen in den Export gehen. Chamco Auto, Geländewagen und Pick-ups präsentierend, lässt zunächst nur durchblicken, in den USA ein Netzwerk von 150 Verkaufsstützpunkten schaffen zu wollen. Diesen Prozess, in den erfolgreiche Händler „mit guter Reputation“ eingebunden werden sollen, glaubt man schon bald abschließen zu können.

Das verheißungsvolle Versprechen „Build Your Dreams“ verbirgt sich hinter BYD Auto. In Schanghai unterhält das Unternehmen ein Forschungs- und Entwicklungscenter, in dem mehr als 3000 Experten und Ingenieure in 40 Laboratorien arbeiten. Angeschlossen ist das erste Crash-Center Chinas. Im Bau befindet sich ein weiteres Entwicklungszentrum. Die BYDLimousinen F6, F3 bzw. F3-R als Fließheckvariante, alle vorwiegend mit Mitsubishi-Motoren ausgerüstet, können sich durchaus sehen lassen. Als F8 wird ein „Convertible Hard Top“ gepriesen, dessen Ausstattung offensichtlich sogar schon etwas höhere automobile Ansprüche erfüllt, etwa mit dem Audio- und Navigationssystem. Motorisch wird eine Anleihe bei der Limousine F6 genommen: 2,0-Liter-DOHC-Vierzylinder, 103 kW.

Je detaillierter man sich mit dem Werden und Wachsen chinesischer Automobilhersteller befasst, wozu die NAIAS in Detroit Gelegenheit bot, desto fester wird die Überzeugung, dass am Ende alles schneller gehen wird als zunächst gedacht. Mögen die China-Böller im Souterrain der Cobo-Hall die etablierte Branche auch nicht erschrecken. Richtig wachmachen sollten sie allemal. (ar/PS/WR)

(Entnommen aus der aktuellen Ausgabe des Branchen-Informationsdienstes PS-Automobilreport)

Von Wolfram Riedel(autoreporter)

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