BMW GINA Light Visionsmodell

BMW GINA Light. foto: autodino/bmw

Automobile Visionen von morgen: BMW GINA Light Visionsmodell

Das GINA Light Visionsmodell verfügt über eine nahezu fugenlose Außenhaut, welche sich als flexibles textiles Material über eine bewegliche Unterkonstruktion spannt. Einzelne „Funktionen“ werden erst dann freigegeben, wenn man sie benötigt.
Darin grenzt es sich deutlich von einem Konzeptfahrzeug ab, in dem sich bereits die Erwartung an die konkrete Umsetzung möglichst vieler Elemente in einem künftigen Serienfahrzeug widerspiegelt. Das GINA Light Visionsmodell ist dagegen eine Vision der Zukunft des Automobils und ein Forschungsobjekt…

BMW GINA Light. foto: autodino/bmw

Die fugenlose Karosserie des GINA Light Visionsmodells
Das BMW Group Design hat seine Visionen für das Automobil der Zukunft
in der Form eines zweisitzigen Roadsters konkretisiert. Front- und Seitenpartie einschließlich der Türen bilden eine – nicht nur optisch, sondern auch strukturell – fließend und frei von Fugen ineinander übergehende Einheit.
Das GINA Light Visionsmodell verfügt nicht über die bei Serienfahrzeugen üblichen Karosserieelemente wie Frontschürze, Motorhaube, Seitenwände, Türen, Radhäuser, Dach, Kofferraumdeckel und Heckabschluss. An ihre Stelle tritt eine neue, aus wenigen Elementen bestehende Struktur. Über einer Metallstruktur spannt sich ein hochstrapazierfähiges und extrem dehnungsresistentes Spezialgewebe. Dieser neuartige Werkstoff gewährt den Designern deutlich höhere Freiheitsgrade hinsichtlich Formgebung und Funktionalität.

So besteht die Karosserie lediglich aus vier Elementen. Das größte Bauteil reicht von der Fahrzeugfront bis zum Ansatz der Windschutzscheibe sowie seitlich bis zum hinteren Abschluss der Türen. Großflächig ziehen sich
die Seitenpartien jeweils vom vorderen Schwelleransatz über das hintere Radhaus bis ins Heck. Das vierte Bauteil ist das zentrale Heckelement.
Bahnbrechende Innovation: Automobil mit flexibler Außenhaut.
Die Verwendung einer flexiblen Außenhaut stellt eine bahnbrechende Innovation auf dem Gebiet des Automobilbaus dar. Diese Lösung eröffnet revolutionär neue Möglichkeiten sowohl für die Gestaltung als auch für
die Bereiche Produktion und Funktionalität. Ebenso umfassend wird auch die Interaktion des Fahrers mit seinem Automobil um vollkommen neue Facetten bereichert. Einzelne Elemente der Unterstruktur sind beweglich angeordnet. Sie verändern, elektrisch und elektrohydraulisch gesteuert, ihre Position, um situationsgemäß und dem Wunsch des Fahrers entsprechend der Außen-haut zu einer neuen Form zu verhelfen und dabei Art und Umfang der Funktionalität des Fahrzeugs zu erweitern. Prägnantestes Beispiel dafür ist die Ausgestaltung der Scheinwerfer. Sie sind in Normalstellung – das heißt, solange keine Notwendigkeit zur Ausleuchtung der Fahrbahn besteht – unsichtbar unter der Spezialgewebehülle verborgen. Schaltet der Fahrer die Beleuchtung ein, verändert sich die Kontur der Frontpartie: Rechts und links neben der BMW Niere öffnet sich die zuvor geschlossene Hülle, ausgelöst durch eine Bewegung der darunter liegenden Metallstruktur, und die BMW Doppelscheinwerfer werden sichtbar.


sich öffnende scheinwerfer. foto: autodino/bmw

Weitere Möglichkeiten, Form und Funktion parallel zueinander der jeweiligen Fahrsituation anzupassen, finden sich am Heck sowie an den Seitenschwellern des GINA Light Visionsmodells. In beiden Fällen folgt die Formgebung der Außenhaut dem Wunsch des Fahrers nach einer besonders dynamischen Fortbewegung. In diesem Konzept ist auch eine mögliche Wechselwirkung mit aerodynamischen Notwendigkeiten berücksichtigt. Die Gestaltung des Heckelements schließt die Möglichkeit ein, den Heckspoiler des Fahrzeugs beim Erreichen eines definierten Tempos automatisch anzuheben. Auf diese Weise würde bei höheren Geschwindigkeiten zusätzlicher Abtrieb an der Hinterachse erzeugt. Da die gesamte Heckpartie einschließlich des Spoilers mit einer einzigen, bis in den hinteren Bereich des Innenraums hineinrei-chenden Gewebefläche bespannt ist, bliebe die homogene Form des Hecks bei jeder Stellung des Spoilers erhalten. Die der Bewegung zugrunde liegende Mechanik bleibt unsichtbar.

Die Funktion der Seitenblinker und der Rückleuchten ist dagegen auch
ohne Formveränderung der Karosseriehülle gewährleistet. Ihre Position wird erst bei Aktivierung erkennbar. Das von ihnen erzeugte Licht dringt dann durch die transluzente, also lichtdurchlässige aber dennoch nicht transparente Folie nach außen.
Ähnlich eindrucksvoll zeigt das GINA Light Visionsmodell seine formale Variabilität im Bereich der Seitenschweller. Auch dort lässt sich die Luftführung bei Bedarf optimieren. Eine entsprechende Bewegung der Metallstruktur führt dabei zu einer Anpassung der Kontur der Seitenschweller, mit der die Luftströmung begünstigt wird. Dabei tritt gleichzeitig eine zusätzliche, nach außen gerichtete Schwellerlinie zum Vorschein. Die aerodynamische Anpassung und die Länge dieser Linie können stufenlos an die jeweilige Fahrsituation angepasst werden.
Spezialgewebe gewährleistet exakt reproduzierbare Faltenwürfe.

BMW GINA Light. foto: autodino/bmw

Die Ausführung der Karosserieoberfläche in Form einer flexiblen, auf einer Metallstruktur ruhenden Gewebehülle stellt hohe Anforderungen an die Qualität der dafür verwendeten Materialien. Als Außenhaut eignet sich industriell gefertigtes Hybridgewebe aus einem stabilisierenden Traggeflecht und einer Oberflächenhaut, das ebenso wasserabweisend wie kälte- und hitzeresistent ist. Ein weiteres wichtiges Merkmal ist die maximale Formstabi-lität des Materials. Unabhängig von Temperatur und Luftfeuchtigkeit bleibt es auch nach intensiver und vielfach wiederholter Dehnung absolut formstabil. Dies gewährleistet, dass die Oberflächenspannung der Karosseriehülle auf Dauer erhalten bleibt. Darüber hinaus werden durch die Bewegung einzelner Karosserieelemente exakt reproduzierbare Faltenwürfe erzeugt.

Das BMW Group Design hat sich bei der Auswahl des Materials unter anderem von der Gebäude- und Innenarchitektur inspirieren lassen. Um maximale Präzision beim Zuschnitt der Gewebeflächen, bei der Anordnung der Befesti-gungspunkte und der Bespannung zu erreichen, konnte unter anderem das Know-how der Sitzmusterbauer im BMW Group Interieur Design genutzt werden. Das Ergebnis sind auffallend harmonisch geformte Flächen und extrem präzise Linien, die durch die konstante Spannung zwischen zwei fest definierten Punkten entstehen.
Halt findet das Spezialgewebe auf einer aus Metalldrähten gebildeten Struktur. Ergänzt wird das hochfeste Metall an ausgewählten Stellen durch Carbon-streben mit höherer Flexibilität. Sie kommen vor allem dort zum Einsatz, wo runde Konturen in Bewegung oder mit besonders engem Radius erforderlich sind.


GINA Light Visionsmodell – Rücklichter, Schweller und Heckelement in Ausgangsposition, Türen geöffnet. foto: autodino/bmw

Die Verwendung großer Gewebeflächen und die Möglichkeit, durch die Bewegung einzelner Elemente des darunter liegenden Metallgeflechts
die Oberflächenkontur zu verändern, führt zu einer neuen Verbindung zwischen Form und Funktion. Bei zusätzlichem Kühlluftbedarf kann die BMW Niere an der Fahrzeugfront geöffnet werden. Weil die Gesamtoberfläche des Spezial-gewebes unverändert bleibt, muss die aus funktionalen Gründen erforderliche Kontraktion an der Fahrzeugfront durch zusätzliche Spannung in anderen Bereichen kompensiert werden. Daraus ergibt sich ein optisch höchst reizvolles Wechselspiel zwischen verschiedenen Karosserieelementen, mit dem eine neue Dimension der skulpturalen Formgebung erreicht wird. Ausgelöst wird die Erweiterung der Nierenöffnung durch eine Bewegung des Metall-geflechts im Bereich der vorderen Seitenwände. Dort entsteht zusätzliche Spannung – sichtbar gemacht durch das Heraustreten einer zusätzlichen Charakterlinie. Durch das Herausbilden dieser Kontur wird gleichzeitig die Spannung im Bereich der Fahrzeugfront erhöht: Die Niere öffnet sich.


sich öffnende motorhaube. foto: autodino/bmw

Die äußerst präzise Anbindung des Gewebes auf dem Metallgittergeflecht ermöglicht darüber hinaus auch eine Oberflächenveränderung ohne Spannungsverlust. In diesem Fall führt die durch eine Bewegung der entsprechenden Stahlgitterstreben bewirkte Öffnung der Oberfläche zu einem exakt definierten Faltenwurf. Beim GINA Light Visionsmodell wird diese Option genutzt, um eine Funktionalität darzustellen, die bei herkömmlichen Fahrzeugen durch das Öffnen der Motorhaube ermöglicht wird. Damit der Fahrer oder ein Werkstatt-Mitarbeiter Zugang zu den Servicestellen im Bereich des Motors erhält, kann das Gewebe in der Mitte der Motorraumabdeckung auf einer Länge von rund 0,5 Metern nach rechts und links außen geöffnet werden. Anschließend liegen die Einfüllstutzen für Motoröl, Kühlwasser und Wischwasser frei. Der Öffnungs- und Schließvorgang ähnelt dem Umgang mit einem traditionellen Arztkoffer, dessen aufklappbare Flügel in der Mitte von einer Schiene zusammengehalten werden.

Noch eindrucksvoller vollzieht sich der präzise Faltenwurf des Oberflächengewebes beim Öffnen der Türen. Sie schwingen sowohl nach außen als auch nach oben. Dabei kommt es aufgrund der hohen Zahl der Punkte, an denen das Gewebe sowohl an der Fahrzeugfront als auch an den hinteren Türkanten fixiert ist, zu einer fest definierten und perfekt reproduzierbaren Ballung des Materials. Der Faltenwurf konzentriert sich dabei auf den Bereich zwischen dem vorderen Türansatz und der Seitenwand und verschwinden beim Schließen der Türen komplett – perfekt gespannte Flächen kommen zum Vorschein.

Das Interieur
Auch im Innenraum sind Variabilität in Form und Funktion untrennbar miteinander verknüpft. Der Fahrer beeinflusst daher jederzeit mit dem Abrufen ausgewählter Funktionen auch das Erscheinungsbild einzelner Elemente seines Fahrzeugs. Deren Wandlungsfähigkeit ist wiederum direkt auf die Bedürfnisse des Fahrers abgestimmt. So entsteht in unterschiedlichen Situationen ein intensiver Dialog zwischen dem Fahrer und seinem Fahrzeug.
Bei geparktem Fahrzeug befinden sich sowohl das Lenkrad als auch die vertikal auf der Mittelkonsole angeordneten Rundinstrumente für Drehzahl-messer, Geschwindigkeits- und Tankanzeige in einer Ruheposition. Dies verhilft dem Fahrer zu maximalem Komfort beim Einsteigen. Auch der Sitz nimmt erst dann seine funktionsoptimierte Position und Kontur ein, wenn der Fahrer Platz genommen hat. Vollautomatisch fährt dann die zuvor bündig in die Rückenlehne integrierte Kopfstütze nach oben aus. Zum gleichen Zeitpunkt bewegt sich das Lenkrad auf den Fahrer zu, und auch die Instrumenteneinheit neigt sich dem Benutzer entgegen. Die fahrerspezifisch optimale Position der Lenksäule sowie die Sitzeinstellungen sind im Signalgeber gespeichert. Zur Aktivierung des Motors genügt anschließend der Druck auf den Start-/Stop-Knopf.

Interieur mit sich dem Fahrer zuneigenden Instrumenten. foto: autodino/bmw

Eine neue Ausprägung findet beim GINA Light Visionsmodell auch der
für BMW Cabrios typische fließende Übergang von Exterieur und Interieur.
Die Gewebefläche des Heckelements reicht bis in den Innenraum hinein
und überspannt auch die Sitze von Fahrer und Beifahrer. Darüber hinaus wird das Textilmaterial auch für die Oberflächengestaltung der Türverkleidungen und der Armauflage genutzt. Der Schalthebel auf der Mittelkonsole ragt aus einem straff gespannten Textilgewebebalg heraus.
Fahrer und Beifahrer blicken nach vorn durch eine steil stehende Windschutz-scheibe, in deren Rahmen mittig ein Innenspiegel integriert ist. Die Außen-spiegel sind mit dem Scheibenrahmen verbunden. Ein schmaler vertikaler Steg in der Mitte der Windschutzscheibe deutet optisch auf eine Zweiteilung der Glasfläche im Stil traditioneller Roadster hin.

Nicht alle Innovationen, die im GINA Light Visionsmodell dargestellt sind, werden auch die weiteren Schritte der Konkretisierung nehmen. In vollem Umfang zeigt der Blick auf diese Visionen jedoch, welche kreativen Möglichkeiten Autobauer nutzen können, um sich den Herausforderungen bei der Gestaltung der Mobilität von morgen zu stellen. (we)

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