Kommentar: Trick 17 und der neue Sprit

Hier ein Kommentar der Kollegen von Auto-Reporter.net zum neuen Spritgebräu mit E10,

Quasi um die Wette reiben sich die Mineralölgesellschaften und der deutsche Finanzminister derzeit wohl die Hände. Schließlich pegelt sich der Literpreis für Kraftstoff hierzulande bei 1,50 Euro ein. Welch traumhafter Trend für Profiteure! Lustvoll beobachten dürfte auch die regierenden Schuldenmacher, wie sich zusammen mit den Kraftstoffpreisen die Steuereinnahmen kontinuierlich weiter nach oben schrauben….

Man erinnert sich: Einst wurde eine frühe Forderung der Grünen, nämlich den Literpreis auf fünf D-Mark anzuheben, als ideologische Luftnummer belächelt. Die Realität holt uns ein. Langsam nimmt die sündige Preisvorstellung in Grün Gestalt an. „V-Power“ (1,509) und „Racing“ (1,579) bei Shell oder per SuperPlus (1,509) und Ultimate 102 (1,619) bei Aral geben den Takt vor. Die Spitzensorten lassen ahnen, wohin die Reise geht.

Mit der Einführung neuer und dem Auslaufen bisheriger Qualitäten lässt sich der Preistrend nach oben kaschieren. Schon jetzt kann man die traditionelle Kraftstoffqualität Super selbst an einer großen Aral-Tankstelle gleich neben der Autobahn A 10 nur noch an einer einzigen Tanksäule zapfen; für 1,509 Euro pro Liter. Damit kostet Super, präziser: Super 95, genauso viel wie SuperPlus 98, dem die Kundschaft angesichts des gleichen Preises verständlicherweise den Vorzug gibt. Und was passiert? – Nach einer Schonfrist wird Super 95, immer weniger nachgefragt, vom Markt verschwinden. Der „Trick 17“, unterschiedliche Qualitäten eine Zeitlang zum gleichen Preis anzubieten, bereitete schon dem Normalbenzin samt seinem einst stets günstigeren Preis ein Ende. Dem preisgleich angebotenen Super musste Benzin letztlich unterliegen.

Emsig wird der neue Super E10 beworben, der nicht fünf, sondern zehn Prozent Bio-Ethanol enthalten soll, was (noch) nicht immer der Fall ist, wie der ADAC anhand von Kraftstoffproben aus E10-Säulen feststellte. An zwölf von 13 Tankstellen in Bayern lief aus der gekennzeichneten E10-Säule nachgewiesenermaßen Super mit bis zu fünf Prozent Ethanol. Die Kundschaft wird den Etikettenschwindel nicht bemerkt haben. Überraschendes ergab dieser Tage unsere Umfrage an Shell-Stationen im Berliner Umland: Super E10 wurde noch gar nicht angeboten. Es fehle am freien Tank, um den neuen Sprit bunkern zu können, argumentierten die Tankstellenbetreiber. Gerade seien die Tankstellen noch einmal mit Super 95 beliefert worden. Andere Markentankstellen bereiten sich offenbar erst aufs Angebot von E10 vor.

Aber das ist nicht die Botschaft, die Fahrzeugbesitzer umtreibt. Sie beschäftigt zuerst, was sogar das Bundesumweltministerium einräumt, nämlich dass rund zehn Prozent aller benzinbetriebenen Kfz in Deutschland Schaden nehmen können, wenn sie mit dem neuen Super E10 betrieben werden. Das wären immerhin rund 3,5 Millionen Fahrzeuge. Entsprechend groß ist die Verunsicherung der Fahrzeugbesitzer im Lande.

Während sich die Umweltpolitik angesichts der EU-konformen Einführung von E10 mit gesetzlich verordnetem höherem Anteil von Biokraftstoff offenbar selber gratuliert, als sei Großartiges vollbracht, bleibt es dem einzelnen Fahrzeugbesitzer überlassen, irgendwie zu erkunden, ob sein Fahrzeug mit Super E10 betankt werden kann, ohne den Motor zu schädigen. Bei Aral liegt ein Handzettel aus. Gut gemeint, aber Ängste baut er nicht ab. Geraten wird („bevor Sie zum ersten Mal E10 tanken“), sich „unbedingt“(!) beim Hersteller des Fahrzeugs zu vergewissern, ob es E10 verträgt. „Falls Sie sich nicht sicher sind, tanken Sie bitte Aral Super 95 oder Aral SuperPlus.“

Auf der Rückseite des Handzettels gibt es wenigstens als kleine Hilfe die Hotline-Nummern von rund 40 Autoherstellern bzw. Importeuren. Deren Telefone dürften verglühen, wollten 3,5 Millionen verunsicherte Autofahrer tatsächlich anrufen. Hilfreiche Öffentlichkeitsarbeit, die die Einführung von E10 hätte vorbereiten und begleiten können – Fehlanzeige! Offenbar soll sich alles nach der Formel einer anderen Branche regeln: „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker!“

Besitzer von Motorrädern müssen nach der Hotline ihrer Marke ohnehin selbst fahnden. Der Aral-Handzettel (Stand: Januar 2011) verweist lediglich auf Rufnummern von Kawasaki und BMW. Deutschland ist Autoland.

Völlig unter den Tisch fällt bei der umweltpolitisch angereicherten Bio-Debatte, dass Ethanol eine geringere Energiedichte hat als Kraftstoff fossilen Ursprungs. Die Folge: Der Einsatz von Kraftstoff, dem „Biosprit“ beigemischt ist, beschert einen Mehrverbrauch. Die Rede ist von etwa drei Prozent, wenn E10 getankt wird. So gesehen geht vielleicht jener Kraftstoff, der dank eines gelobten Start-Stop-Systems an Bord eingespart wird, beim Einsatz von Super E10 wieder verloren. Darüber redet nur keiner. Auch nicht über vernachlässigte etwaige andere Nachteile von Super E10, deren Folgen sich möglicherweise erst nach längerer Laufzeit der Motoren zeigen. Die berauschenden Parolen Bio und Öko können auch dazu verleiten, Irrwege einzuschlagen. (Auto-Reporter.NET/Wolfram Riedel)

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