In der nun vierten Generation kommt der Kompaktsportler Focus ST als bärenstarker Fünftürer an den Start. Zeit also für eine Probefahrt. 280 PS werden im neuesten Focus ST per Vorderachsdifferentialsperre auf den Boden gebracht. Knapp 32.200 Euro Basispreis stehen zwischen dem Käufer und einer Beschleunigungsorgie mit neuester Technologie.
Das muss nicht sein. Wir bestanden auf den klassischen „Hot Hatch“ mit aufgeladenem Benziner und fünf Türen.
Und der schmückt sich mit dem charmantesten Heck, das die Kompaktklasse bisher hervor gebracht hat. Die langsam abfallende Linie mit viel Überhang sowie der wuchtige Heckstoßfänger lassen den fünftürigen ST wie frisch vom Tuner wirken.
Auch an der Front stellen weit aufgerissene Lufteinlässe die Frage, ob Veredelung überhaupt noch notwendig ist.
Ford-Fans finden im Innenraum hingegen wenige Bezugspunkte zum Besonderen. Das schlichte Schwarz wird gelegentlich durch ST-Embleme aufgebrochen, das Spiel mit Form und Farbe – wie man es von früheren Focus-ST-Generationen kennt – wird nicht mehr verfolgt.
Denn gerade das Verspielte, Bunte und Besondere verhalf den schnellen Fords in der Vergangenheit zu einer stabilen Fangemeinde.
Diesmal stehen nur Ziernähte in Kontrastfarbe zur Auswahl, wie man sie aus den ST-Line-Modellen kennt.
Die Verarbeitung macht sich gut und ist etwa auf gleichem Niveau mit dem fast gleich teuren Hyundai i30 N Performance. Etwas Kunststoff muss der Fahrer zu diesem Preis noch akzeptieren.
Das ist beim schnellen Fahren gut für den Rücken, kann jedoch auf längeren Etappen zu Verspannungen führen, weil aufrechtes Sitzen stetig gefordert wird.
Ansonsten ist die Positionierung des voll einstellbaren Lenkrads und des Schalthebels optimal und verbindet Fahrer und Auto zu einer sportlichen Einheit.
Da die meisten Funktionen über das Multifunktionslenkrad dirigiert werden können, sind Verrenkungen von vorn herein ausgeschlossen.
So fliegt der kompakte Brenner in 5,7 Sekunden auf Tempo 100 km/h und zieht bis 250 km/h munter weiter. Die Längsdynamik wird durch ein knackiges Sechs-Gang-Schaltgetriebe mit automatischem Zwischengas befeuert, sodass Kavalierstarts auch für ungeübte kein Hexenwerk sind. Und außerdem gibt es ja noch eine Launch Control.
Man hört es schon raus: Auch beim Focus ST legt Ford Wert auf Spieltrieb in verschiedenen Fahrmodi und lässt es im ST- sowie im Trackmodus – die richtige Motortemperatur vorausgesetzt – aus den Rohren knallen wie aus Pistolenläufen.
Innen dominiert hingegen ein omnipräsentes Brummen, das den Turbolader akustisch erstickt und an ein Best-Of aus Ansauggeräuschen von Motoren bis zur 3,0-Liter-Klasse erinnert.
Zwar passt das im Soundgenerator angestimmte Konzert zum kräftigen Antritt des Focus ST, entfernt sich aber vom eigentlichen Motorenkonzept und fordert auf längeren Etappen starke Nerven: „Roooöööh, Ba-Bamm, Roooöööh, Bamm…“ geht es im ST. Nach 20 Kilometern Volllast kann man die Gänge im Schlaf mitsingen.
So kommt der Focus ST sogar mit den Rädern an die Erde, wenn man im Scheitelpunkt voll drauf tritt.
Von Untersteuern im eigentlichen Sinne kann nicht die Rede sein. Auch die EPAS-Lenkung zieht im Hintergrund die Fäden und passt die Lenkung je nach Tempo an und berücksichtigt Querwinde und weitere Faktoren, die die Fahrstabilität beeinträchtigen können.
Damit steht dem Fahrer ein Werkzeug bereit, das den 280 PS starken Fünftürer sicher in der Spur hält. Von Gefühl kann am Lenkrad dabei nicht wirklich die Rede sein: Künstlich hart gibt sich das Volant im Sportmodus, seicht und gefühllos im normalen Modus und insbesondere bei niedrigen Geschwindigkeiten.
Erreicht wird das über eine elektronische Dämpferregelung, die das Ansprechverhalten der Stoßdämpfer binnen Millisekunden an die Fahrsituation anpasst.
Nicht einmal tiefe Bodenwellen können den ST ins Schleudern bringen, hier rutscht – wenn überhaupt – das Heck ein bisschen nach, was sich zusätzlich positiv auf die Kurvengeschwindigkeiten auswirkt.
Doch Vorsicht: Die Bremsen können den rund 1500 Kilogramm nur für kurze Zeit etwas entgegensetzen. Nach dem starken Druckpunkt folgt frühes Fading. Wer die Fähigkeiten des ST wirklich ausnutzen will, kommt um einen Wechsel auf hochwertigere Bremskomponenten nicht herum.
Eine Lichthupe haben wir mit dem gut ausleuchtenden und reagierenden System vom Gegenverkehr nicht kassieren müssen. Auch die Fußgängererkennung, der Kollisionswarner, sowie die Querverkehrserkennung arbeiten einwandfrei und sind ein Sicherheitsplus im Alltag.
Typische Ford-Extras wie eine beheizbare Frontscheibe und ein optionales Panoramaglasdach sorgen zudem für zusätzlichen Komfort je nach Wetterlage.
Fazit der Probefahrt mit dem Ford Focus ST:
Speziell auf Nässe spielt der Focus Fähigkeiten aus, die Fahrer von echten Sportwagen an den Rand der Verzeiflung bringen.
Stabilität und Beweglichkeit sind die großen Stärken des Focus. Leider ist dem Kompakten etwas Flair im Innenraum verloren gegangen, was für eingefleischte ST-Fans gewöhnungsbedürftig sein dürfte.
Die Bremsen sind schlicht zu lasch. (amp/we)(Fotos: Auto-Medienportal.Net/Dennis Gauert)
Daten Ford Focus ST
Länge x Breite x Höhe (m): 4,39 x 1,83 x 1,46
Radstand (m): 2,70
Motor: R4, 2261 ccm, Turbo-Direkteinspritzung
Leistung: 280 PS (206 kW) bei 5500 U/min
Max. Drehmoment: 420 Nm bei 3000–4000 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h (abgeregelt)
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 5,7 Sek.
Normverbrauch: 7,9 Liter
Realverbrauch: 9,5 Liter
CO-Emissionen: 179 g / km
Abgasnorm: Euro 6d-Temp
Kofferraumvolumen: 375–1354 Liter
Bereifung: 235/40 R 18
Basispreis: 32.200 Euro