Auto Lektion: Wie der Erlkönig zu seinem Namen kam

Auto Lektion lernen II:
Wie der Erlkönig zu seinem Namen kam

„Spy shot“ sagen die Briten, „photo espion“ die Franzosen – und die Deutschen nennen die hoch gehandelten Bilder von geheimen Prototypenfahrzeugen ganz poesievoll „Erlkönig-Foto“. Wohl jeder denkt dabei an den nächtlichen Ritt eines Vaters mit seinem Kind aus dem gleichnamigen Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832). „Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?“ lautet die berühmte erste Zeile dieser 1782 geschriebenen und später von Franz Schubert (1797-1828) vertonten Ballade. Generationen von Germanisten mutmaßten, dass „Erlkönig“ eine fehlerhafte Übersetzung aus dem Dänischen sei. „Ellerkonge“ bezeichnet dort den Elfenkönig (Elbenkönig)…

Mystische Anziehungskraft besitzen Erlkönige jedenfalls noch heute – auf die „Erlkönig-Jäger“ getauften Fotografen, die meist freiberuflich für Automagazine das öffentlich machen, was eigentlich noch geheim bleiben soll. Die beiden Motorjournalisten Heinz-Ulrich Wieselmann und Werner Oswald von „Auto, Motor und Sport“ prägten den Begriff „Erlkönig“ in den 50er-Jahren für die ersten Fotos von getarnten Prototypen.

Werner Oswald erinnerte sich 1986:
„Diese … Bildchen galten damals als nie da gewesene Provokation der Automobilindustrie. Deshalb hatten wir zuvor wochen-, ja vielleicht mona-telang überlegt, ob und in welcher Form wir uns den Abdruck dieser Amateurfotos erlauben konnten. Chefredakteur Wieselmann kam schließlich auf die Idee, durch liebenswürdige Begleittexte den betroffenen Industriefirmen die bittere Pille ein wenig zu versüßen. In diesem Sinn reimte er eines schönen Sonntags für die ersten paar Bilder je ein kleines Achtzeilen-Gedicht im Stil des Erlkönig-Poems. Die legte er mir Montagfrüh auf den Tisch mit dem Auftrag, hieraus für die nächsten Hefte eine Folge vorzubereiten und diese mit einer gleich bleibenden Überschrift zu versehen. Nach kurzer Überlegung meinte ich: ‚Schreiben wir doch einfach ‚Erlkönig‘ drüber!'“

Der erste Erlkönig, veröffentlicht in Ausgabe 15 vom 19. Juli 1952, war der Mercedes 180. Über dieses Ponton-Modell reimte „Auto, Motor und Sport“:

Erlkönig
1. Folge
Wer fährt da so rasch durch Regen und Wind?
Ist es ein Straßenkreuzer von drüben,
der nur im Umfang zurückgeblieben
oder gar Daimlers jüngstes Kind?
Der stille Betrachter wär‘ gar nicht verwundert,
wenn jenes durchgreifend neue Modell,
das selbst dem Fotografen zu schnell,
nichts anderes wär‘ als der Sohn vom ‚Dreihundert‘.

Und wenn sie nicht gestorben sind so fotografieren sie noch heute!

(ke)

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