Lassen wir unseren Opel Rekord D Test Ausflug mit einem kleinen Ausflug in die Historie beginnen. Damals, in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, war die Welt der Autobauer noch in bester Ordnung.
Gerade löst der Rekord D seinen Vorgänger ab, das neue Modell geht Ende 1971 in Produktion, die Markteinführung folgt gleich nach dem Jahreswechsel. Die Fachwelt ist angetan.
Der neue, vom Amerikaner Chuck Jordan gestaltete Mittelklassewagen, verlässt den Weg der kantigen Form, ist weich und flüssig gezeichnet, wirkt mit seiner dynamischen Front und den eckigen Scheinwerfern deutlich eleganter als die bisherigen Modelle.
Wie bisher sind drei Versionen im Angebot. Es gibt die Limousine mit zwei oder vier Türen und den damals Caravan genannten Kombi mit drei oder fünf Türen sowie eine Coupé-Variante.
Die Preise unseres Opel Rekord D Test Fahrzeugs liegen zwischen 8100 und 11.500 D-Mark. Kurz nach der Markeinführung tut sich unter der Haube Revolutionäres.
Der Rekord bekommt im Juli als erster Opel überhaupt einen Dieselmotor. Bislang war Mercedes der einzige Hersteller, der Selbstzünder in Personenwagen angeboten hat, Opel demokratisiert das genügsame Antriebsprinzip.
Großartige Leistung allerdings wird nicht geboten, die 60 PS des 2,1-Liter-Wirbelkammer-Vierzylinders reichen gerade mal für 135 km/h Spitzentempo. Erkennbar sind die Diesel-Rekords an der Ausbuchtung in der Motorhaube. Sie wird notwendig, weil der Dieselmotor höher baut als die Benziner „Power Dome“ nennen die Rüsselsheim diese Hutze – was der Sache irgendwie nicht wirklich gerecht wird.
Sonst gibt es Benzinmotoren mit vier Zylindern und 1,7 und 1,9 Liter Hubraum, später gesellt sich eine S-Variante mit zwei Liter Volumen und 100 PS dazu, die immerhin für 176 km/h Spitze gut ist. Der kostet 13.270 D-Mark, rund 580 mehr als das zweitürige Basismodell mit 75 PS.
Der Diesel ist dagegen teurer, satte 15.490 D-Mark sind für die Einstiegsversion zu zahlen. Für das Vierganggetriebe, das anfangs noch am Lenkrad geschaltet wurde, bietet Opel jetzt auch eine Sportschaltung an, deren hakenförmiger Hebel auf dem Kardantunnel sitzt.
Alternativ und ebenfalls gegen 1120 D-Mark Aufpreis kann der Kunde eine Dreigang-Automatik bestellen. Große Mühe hat diese Motorisierung mit der knapp 4,6 Meter langen Mittelklasselimousine nicht. Der Rekord wiegt je nach Ausführung gerade mal zwischen 1065 und 1230 Kilogramm.
In diesen Tagen läuft sich unter dem Namen Commodore eine bereits beim Vorgänger eingeführte weitere Variante des Rekord warm. Diese Sportlimousinen, die begierig vom Haus-Tuner Klaus Steinmetz noch weiter gestärkt werden, bekommen ausschließlich Sechszylindermotoren.
Als Wettbewerbsfahrzeug feiert der Commodore unter dem Spitznamen „Schwarze Witwe“ Erfolge gegen die Rivalen der Rennbahn und kann den BMW-Coupés, dem Ford Capri RS und sogar Porsche 911 mühelos Paroli bieten. Die identischen Baumaße beflügeln auch manchen Freizeit-Mechaniker zum Einbau des Commodore-Triebwerks in seinen Rekord, der dann auf der Autobahn manch anderem Verkehrsteilnehmer das Fürchten lehrt.
Am 7. September 1976, kaum fünf Jahre nach dem Start der Baureihe, rollt der ein millionste Rekord D vom Band in Rüsselsheim.
Er bekommt eine goldgelbe Metallic-Lackierung, eine hochwertige Velours-Inneneinrichtung und Spezialitäten wie von innen verstellbaren Außenspiegel, Halogen H4-Hauptscheinwerfer, Nebelscheinwerfern, Nebelschlussleuchte, Scheinwerfer-Waschanlage und die komplette Instrumentierung mit Drehzahlmesser, Voltmeter sowie Öldruckmesser.
Insgesamt werden von der Rekord D Baureihe von 1972 bis 1977 1.116.088 Exemplare gebaut. Aus Anlass des 50. Geburtstags der Baureihe, hat der Millionär seinen Stammplatz in der Opel-Klassiksammlung für ein Wochenende verlassen und sich mal umgeschaut, was sich seit damals in Rüsselsheim verändert hat.
Zuerst wandelt der Jubiläums-Rekord auf bekannten Pfaden. Im ehemaligen Verladebahnhof ist heute sein Zuhause, dort steht er mit Prominenten wie dem Raketenwagen RAK, dem Rallye-Ascona 400, mit dem Walter Röhrl den WM-Titel holte, dem Weltrekord-Diesel im GT und den Flotten-Kollegen Kadett, Kapitän und Admiral. Dann rollt er durchs Hauptportal des Altwerks, das heute unter Denkmalsschutz steht und parkt auf dem Bahnhofsplatz, auf dem Adam Opel aus Bronze geformt ankommende Gäste grüßt.
Das Einsteigen in den Jubilar ist ein Vergnügen. Die Tür öffnet weit, keine ausgeformte Armaturentafel schmälert den Eingang, die Sitze sind weich und flauschig, das Lenkrad groß wie ein Fassboden. Die Karosserie hat der Fahrer mühelos im Blick, große Fensterscheiben und kleine Kopfstützen versperren die Rundumsicht kaum.
Das Handschuhfach ist klein der damals noch weitverbreitete Shell-Atlas hätte nicht hinein gepasst. Der Zweiliter-Vierzylinder springt mit der ersten Umdrehung an, läuft im Leerlauf leise und ohne nennenswerte Vibrationen. Der lange Schalthebel hakelt etwas in der Schaltkulisse, trotzdem rastet er erste von vier Gängen sanft ein, wenig Gas genügt, damit der Rekord beim Einkuppeln langsam losrollt.
155 Newtonmeter Drehmoment liefert die Maschine bei 3600 U/min. Klingt nicht nach viel, reicht aber, um die rund 1200 Kilogramm mühelos in Schwung zu bringen. Ohne allzu viel Schaltarbeit geht es über Land, an Steigungen zeigt der Opel kaum Schwächen. Die Federung ist komfortabler als manch eine heutiger Großserienautos, auch die Bremsen machen ihren Job ohne Mucken.
Schwierig wird es dann aber beim Einparken, man lernt die Größe des Lenkrads zu schätzen, denn eine Servounterstützung gibt es nicht. Vor dem Adam Opel Haus in Rüsselsheim fährt der Rekord auf unbekanntem Terrain.
Er fühlt sich nicht wirklich wohl, hängt doch an der Traverse zwischen Verwaltungsgebäude und Design-Center ein Transparent mit der Aufschrift „Stellantis“. Was das wohl sein soll? Auch der „Dauerparker“, eine Betonskulptur in Form eines Manta B auf dem Rüsselsheimer Landungsplatz am Main ist ihm unbekannt. Das 13,5 Tonnen schwere Kunstwerk parkt dort erst seit März 2018.
Beschwingt geht es zurück zur Remise, fast überall drehen sich die Köpfe der anderen Verkehrsteilnehmer. Auch eine Reihe von Rentnern mit ausländischer Herkunft ziehen erstaunt die Augenbrauen hoch. Der Rekord D war eines der ersten Opel-Autos, die sie am Band gleich nach ihrer Ankunft als Gastarbeiter zusammengeschraubt haben.
Der Ausflug in die automobile Vergangenheit der Marke mit dem Blitz war überaus vergnüglich. Bleibt zu hoffen, dass die Classic Abteilung in Rüsselsheim mit ihren mehr als 1000 illustren Exponaten nicht auch für ihre Ablösung von Opel zur Diskussion steht.
Vielleicht findet die Sammlung ja Gnade vor dem Rotstift der Herren in Frankreich. Hat Adam Opel doch seine Wurzeln mit einer Erfindung aus Frankreich in Rüsselsheim geschlagen. 1862, nachdem er aus Paris zurückgekehrt war, gründete er eine Manufaktur zur Herstellung von Nähmaschinen. (we/aum/mk)(Fotos: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger)