Der Audi RS6 wäre (nicht nur) als Pharmareferent mein Traumauto. Da könnten die Viagras im Kofferraum liegen bleiben. Einen Ständer bekommt man am Steuer des Audi RS6 auch ohne das Zeug!
Das Auto bietet ständig Leistung im Überfluss. Es gibt wegen der kurzen Ansaugwege nahezu kein Turboloch: Die Lader sitzen mittig zwischen den Zylinderköpfen. Und das volle Drehmoment liegt bereits bei 2050 U/min an.
Der Spurt auf 100 km/h dauert übrigens nur ganze 3,6 Sekunden; die Spitze ist nach gewähltem Paket abgeregelt.
Geizige RS6-Besitzer laufen schon bei 250 km/h in den Abregler, die aufpreispflichtige nächste Stufe liegt bei 280 km/h. Und wer die vollen 305 km/h auskosten will, muss zusätzlich die Keramikbremse ordern. Auch bei diesem Tempo wäre noch nicht Schluss, wenn nicht die Audi-Entwickler der Vernunft die Ehre geben würden.
Der Auspuffklang wird in drei Stufen serviert: Schubblubbern und eine authentische Achtzylinder-Geräuschkulisse bereiten ab dem Dynamic-Modus viel Freude. Und das Fauchen bei starker Beschleunigung kann man sogar noch besser im Fond genießen. Der Klang überzeugt auch mit dem in Europa obligatorischen Otto-Partikelfilter; Fahrzeuge für die USA dürfen etwas lauter sein.
Für sehr entspanntes Fahren im Alltag gibt es eine zweistufige Freilauf-Funktion; mit eingeschalteter Klimaanlage kann der Wagen nicht ganz abschalten. Je nach Modus können über 50 km/h und wenn weniger als 250 Nm Drehmoment abgerufen werden, vier Zylinder abgeschaltet werden.
Das wirkt sich ebenso günstig auf den Verbrauch aus wie die 48-Volt-Hybridisierung, die bis zu 16 PS (12 kW) rekuperieren kann und bei Bedarf den Riemenstarter zuschaltet.
Das sehr sportliche DRC-Hydraulikfahrwerk verbindet alle 4 Dämpfer mit Hydraulikleitungen. So steuern sich die Dämpfer gegenseitig, um zu einer idealen Straßenlage zu kommen. Für bessere Alltagstauglichkeit sollte man allerdings zum Luftfahrwerk greifen.
Dort gibt es eine etwas geringere Spreizung im Fahrverhalten, dafür Höhenvariabilität und mehr Wank- wie Nickausgleich. Dieses Fahrwerk kann sich um 10 Millimeter absenken und um 20 Millimeter anheben. Das Gewicht ist mit einem zusätzlichen Kilogramm für das Luftfahrwerk praktisch identisch.
Die mitlenkende Hinterachse erleichtert den Tanz durch die Kurven, macht die Fahrt aber auch für den Beifahrer angenehmer. Je nach Fahrsituation sind bis zu 5 Grad Verstellwinkel möglich; bei niedrigem Tempo verringert sich der Wendekreis, wobei sich die Räder bei abgeschaltetem Motor wieder geradestellen. Sonst würde der uninformierte Beobachter womöglich einen Achsschaden vermuten, zudem könnte die Felge beim Losfahren den Bordstein touchieren.
Im Programm sind 21- und 22-Zoll-Räder, wobei die 22-Zöller die Lenkung direkter ansprechen lassen. Durch den Aufstieg von der Stahl- auf die optionale Keramikbremse sinkt das Fahrzeuggewicht übrigens um stolze 34 Kilogramm.
Das Interieur ist identisch mit dem noch frischen RS7, und das ist gut so. Auf Anhieb fallen die hochwertigen Kohlefaser-Einlagen ins Auge, Verarbeitung und Oberflächen sind auf Premium-Niveau, die sogenannten RS-Sitze bieten guten Halt und lassen spüren, dass es sportlicher zur Sache gehen kann. Die Head-Up-Funktion, mit der Fahrdaten in die Windschutzscheibe projiziert werden, bereitet durch ihre Präzision und klaren Farben Freude. Und weil die Kunden es sich gewünscht haben, sind die Schaltpaddel wieder aus vollem Aluminium gefräst und fühlen sich schön technisch kalt an.
Die relativ wenig befahrenen, ausgebauten Canyons nördlich des Küstenorts Malibu sind das ideale Terrain, um den RS6 kennenzulernen. Eine reizvolle Landschaft, ständig wechselnde Kurvenradien sowie erhebliche Steigungen und Gefälle wechseln sich permanent ab. Dabei würden wir uns bei der Lenkung etwas mehr Widerstand wünschen. Sie ist zwar so direkt ausgelegt, dass selbst für den Volleinschlag kein Umgreifen nötig ist, wirkt aber insgesamt leider etwas künstlich. Die Bremse könnte im ersten Ansprechen etwas schärfer zupacken. Beides ist jedoch Geschmackssache, die Urteile der Experten gehen auseinander.
Es gibt verschiedene Fahrmodi, wobei der Dynamic-Modus bei enger kurviger Strecke die beste Wahl zu sein scheint. Zum normalen Fahren ist der (bei schneller Fahrt artifiziell wirkende) Comfort-Modus am besten geeignet, und nur wer sehr ambitioniert unterwegs ist, sollte in den Dynamic-Plus-Modus schalten.
Neu bei den großen RS ist der Temperaturmonitor, den es auch im RS7 gibt; er zeigt auf dem Bildschirm den Zustand von Antriebs- und Bremstechnik. Blau bedeutet, dass sich die Systeme noch aufwärmen müssen; grün bedeutet die Freigabe zum beherzten Gasgeben. Bei Nässe zeigen Wassertropfen an, dass beim Bremsen, vor allem mit Keramikbremsen, noch etwas Vorsicht geboten ist.
Die Entwickler von Audi Sport haben sich Mühe gegeben, einen neuen Standard zu definieren, um den perfekten Kompromiss zwischen geradezu rennstreckentauglichen Fahrleistungen und hoher Praktikabilität zu finden. Das Konkurrenzumfeld ist überschaubar: Abgesehen vom T-Modell des Mercedes-AMG E63 fliegt der RS6 Avant alleine – in großer Höhe. (we/ampnet/mkn)(Fotos: Auto-Medienportal.Net/Audi)
Daten Audi RS6 Avant
Länge x Breite x Höhe (m): 5,00 x 1,95 x 1,46
Radstand (m): 2,93
Motor: V8-Benziner, 3996 ccm, Biturbo, Direkteinspritzung
Leistung: 600 PS (442 kW) bei 6000-6250 U/min
Max. Drehmoment: 800 Nm bei 2050-4500 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 250 (optional: 280 bzw. 305) km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 3,6 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 11,5 Liter
Effizienzklasse: F CO2-Emissionen: 263 g/km (Euro 6d-Temp)
Leergewicht / Zuladung: min. 2150 kg / max. 590 kg
Kofferraumvolumen: 565 Liter
Bereifung: 275/35 R 21
Basispreis: 117 500 Euro