Auf Reisen mit dem Mercedes-Benz Marco Polo. Der 5,14 Meter lange Camper-Van auf Basis der V-Klasse, ist rund 15 Zentimeter länger als der VW California und sieht besser aus. Punkt. Glatte Flächen, eine markante Kühlermaske und ein Hubdach, das eingeklappt kaum auffällt, könnten ihn als Großraumlimousine durchgehen lassen.
Einzig die Markise, die als Extra geordert werden muss, weist diese V-Klasse als Camping-Mobil aus. Die Schiebetür auf der rechten Wagenseite gleitet elektrisch angetrieben auf, der Wohnbereich des Marco Polo offenbart den gängigen Grundriss dieser Klasse.
Im Heck gibt es eine Sitzbank für zwei, die umklappt, damit sie zum Bett für zwei wird.
In Fahrtrichtung links sind die Möbel platziert. Eine Nasszelle gibt es nicht, der Stauraum ist knapp bemessen.
Die große Küchenausstattung kommt nicht unter, dafür lassen sich die sorgfältig verlesene Kochutensilien in praktischen Schubladen oder Staukästen mit Schiebetür verladen.
Zurückhaltung ist auch beim Zusammenstellen der Reise-Garderobe angeraten, denn die Schränke neben der Liegefläche im Heck des Mercedes-Benz Marco Polo taugen für einige Hemdchen, aber für nur wenige Pullover und Jacken.
Zugängig sind sie außerdem vorzugsweise von außen durch die Heckklappe, wer vom Bett oder gar der Sitzbank aus die passende Bekleidung auswählen will, muss schon über beinahe artistische Fähigkeiten verfügen.
Umständliches Bettenbauen im Mercedes-Benz Marco Polo
Das Bett entsteht, indem die Sitzbank manuell nach vorne gezogen und die Rückenlehnen elektrisch in die Waagerechte geklappt werden. Das dauert eine Weile, ein rein händisches Bettenbauen wäre kein Manko. Gemütlich wird es danach jedoch noch nicht.
Die stark konturierten Sitze sind eher hart und für einen bequemen Schlaf kaum geeignet. Mercedes bietet eine weiche Auflage an, die allerdings recht voluminös ist und im Grunde nur auf der Liegefläche zwischen den Rückenlehnen und der Heckklappe transportiert werden kann. Dort aber nimmt sie der Bettwäsche reichlich Platz weg.
Im klassischen Stauraum dieser Art von Campern unter der Bettverlängerung im Heck geht es ebenso eng zu, denn anders als VW bringt Mercedes die Campingmöbel dort in einer Tasche unter. Beim California finden sie in der Verkleidung der Heckklappe platzsparendere Aufbewahrung.
Schick ist jedoch die separat zu öffnende Heckscheibe, sie lässt sich von außen und innen aufklappen, der Tag könnte auf dem ruhigen Stellplatz mit Blick ins Grüne und frischer Morgenluft kaum besser beginnen.
Dennoch schläft es sich im der Dachkammer besser, vor allem Frischverliebte haben auf zwei Metern Länge aber nur 1,10 Metern Breite gewiss ein angenehmes Miteinander. Im Oberstübchen gibt es nicht nur LED-Leseleuchten, sondern auch einen USB-Anschluss zum Laden des Handys.
Das Aufstelldach mit fester Oberseite und seitlichen Zeltwänden öffnet und schließt elektrisch, die Matratze liegt auf komfortablen Tellerfedern, als Aufstiegshilfe halten die Vordersitze her.
Die Küche des Mercedes-Benz Marco Polo könnte aus dem Design-Studio stammen
Die Küchenoberfläche beheimatet einen überaus edlen Zwei-Flammen-Gaskocher, er bezieht seine Energie aus einer Gaskartusche mit 2,8 Kilogramm Inhalt. Die eher kleine Spüle mit elektrischer Wasserversorgung schimmert in glänzendem Edelstahl, beim Innenraum-Design will der Marco Polo weit vorne dabei sein.
Am Ende der Zeile kühlt eine 40 Liter große Kompressor-Box Getränke und Lebensmittel zuverlässig, sie arbeitet lageunabhängig und mit hohem Wirkungsgrad.
Das Dinner zu viert im Mercedes-Benz Marco Polo Camper ist möglich, mit etwas Disziplin lässt es sich auf der Zweierbank und den beiden drehbaren Sitzen für Fahrer und Beifahrer komfortabel speisen, der ausklappbare Tisch hat ein passendes Format dafür. Währenddessen zu kochen ist auf knappem Raum allerdings eine Herausforderung.
Der Weg nach vorn über den stilvollen Bodenbelag in Yacht-Optik gelingt entspannt auch durch den Innenraum. Dank der elektrischen Parkbremse stört kein Handbremshebel den Durchgang.
Vorn zeigt der Marco Polo vollends, wo seine Stärken liegen. Der Fahrerbereich ist übersichtlich und durchdacht gestaltet, limousinengleich die Instrumentierung und die Anordnung der Bedienungselemente. All das ist verpackt mit feinen Materialien, Ebenholz und gebürstetes Aluminium schimmern um die Wette.
In der Mitte prangt der große, berührungssensitive Monitor der MBUX-Infotainmentanlage, viel tippen muss man aber nicht, denn der Marco Polo gehorcht fast immer aufs Wort. Die Spracherkennung ist äußerst verständig, gehört zu den wenigen Systemen dieser Art, die zweifelsfrei zwischen den Navigationszielen Rüdesheim und Rüsselsheim unterscheiden können.
Mit der zusätzlichen MBAC-Kontrolle werden die Funktionen des Wohnbereiches gesteuert. Die Temperatur der Dieselheizung und der Kühlbox lassen sich hier einstellen, das Dach öffnen und schließen sowie die Füllstände des 38 Liter großen Frischwasser- sowie des Abwassertanks erfahren.
Auch der Ladezustand der Bordbatterie wird angezeigt. Per App und Bluetooth-Verbindung können die Funktionen auch über ein Smartphone abgerufen werden.
Die Sitzposition passt und ist auch auf langen Strecken komfortabel, die präzise Einstellung übernehmen die elektrischen Stellmotoren. Der Zwei-Liter-Diesel startet per Knopfdruck, ruhig und vibrationsarm tourt er im Leerlauf. Auch bei höherem Tempo hält sich seine Geräuschentwicklung ebenso wie die Fahrtwind-Akustik in angenehmen Grenzen.
Als 300d erklimmt der Marco Polo die Leistungsspitze des Motorenangebots, 239 PS (176 kW) liefert der Vierzylinder, das verleiht dem unbeladen rund 2,5 Tonnen schweren Camper ein Beschleunigungsvermögen aus dem Stand auf 100 km/h in 8,1 Sekunden. Tempo 220 sind als Spitze drin und wird ohne langes Zögern erreicht.
Die Wandler-Automatik mit neun Stufen findet ob der immensen Leistung immer die passende Übersetzung, üblicherweise fährt sie im zweiten Gang an.
Per Schaltwippen lässt sich die Drehzahl senken, dennoch weiß die Elektronik meist besser, welche gerade in Bezug auf Treibstoff-Ökonomie und Leistungsbedarf angemessen ist.
Wir waren auf einer Bummelfahrt über Land mit 6,9 Litern auf 100 Kilometer unterwegs, das liegt nur geringfügig über der WLTP-Messung. Wer es lieber zügig hat, fährt mit 9,4 Litern über die Standarddistanz. Das Mittel von 8,1 Litern Diesel geht völlig in Ordnung, zumal der 70-Liter-Tank sehr anständige Reichweiten ermöglicht.
Der Mercedes-Benz Marco Polo fährt sich beinahe so handlich wie ein Personenwagen. Trotz der hohen Sitzposition sind beherzte Kurvenfahrten kein Problem. Muss ein Camper diese Tugenden aufweisen? Diese Frage ist eine des Geschmacks.
Das Übernachten und Wohnen im Mercedes-Mobil sind daher Optionen, sie drängen sich nicht auf.
Für weite und entspannte Reisen, auf denen gelegentlich der Campingplatz statt des Hotels zum Schlafplatz wird, ist er eine perfekte Wahl.
Wenngleich sich schon der Basispreis von wenigstens 67.558 Euro gewaschen hat.
Mit einigen liebenswerten Extras erklimmt der schöne Mercedes-Benz Marco Polo dann letztlich das Niveau seiner Brüder aus der Limousinen-Abteilung. (we/ampnet/mk)(Foto: Daimler/Auto-Medienportal.Net/Michael Kirchberger)
Daten Mercedes-Benz Marco Polo Edition 300d
Länge x Breite x Höhe (m): 5,14 x 1,93 x 1,98
Radstand (m): 3,20
Motor: 4-Zyl.-Turbodiesel, 1950 ccm
Leistung: 176 kW /239 PS bei 4000 U/min
Max. Drehmoment: 500 Nm (+30 Nm) bei 1600 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 220 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 8,1 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 6,8 l
CO2 (NEFZ): 161 g/km (Euro 6d-Temp)
Testverbrauch: 8,1 l
Leergewicht / Zuladung: min. 2555 kg / max. 645 kg
Max. Anhängelast: 2500 kg
Wendekreis (m): 11,8
Reifengröße 245/45 R19
Isolierung Wand/Dach/Boden: 2/2/2,5cm
Schlaf-/Sitzplätze: 4/4
Frisch-/Abwasser: 38/ 38 Liter
Grundpreis: 67.558 Euro
Testwagenpreis: 85.167 Euro