Können Luxus und Sport vereint sein? Der neue Bentley Continental GT Speed versucht es. Ob es ihm gelingt? Schauen wir mal.
Mit meiner beschränkten – aber leider geilen – Vorstellungskraft stelle ich mir „Luxus“ so vor: Mädels, Partys, Chips und Bier. Ein gemütliches Dach überm von durchzechten Nächten gepeinigten Kopf und wenn es die Umstände (Tageslicht) zulassen, ein wenig abhängen am Strand. Eine flexible Geldbörse ist hierfür Voraussetzung!
„Sport“ dagegen ist Arbeit. Habe nichts dagegen. Hänge ja jetzt auch am PC und hacke mir die Finger wund. Sport bedeutet meist auch Verzicht. Leistungssport zumindest. Zwei bis drei Mal Training am Tag, stundenlang joggen oder/ und Gewichte stemmen. Zur Belohnung nur Magerquark futtern.
Das sind so meine Vorstellungen von Sport und Luxus. Wie will oder könnte man diese beiden – für mich so konträren – Begriffe jemals unter einen Hut bringen?! Geht das überhaupt?
Womit wir bei der Vorstellung des neuen Bentley Continental GT Speed 2021 wären. Diese fette Wuchtbrumme – dieses aus dem vollen gefräste Stück Automobil versucht tatsächlich, das Unmögliche wahr zu machen!
Kann der Bentley Continental GT Speed „Sport“
Frei nach Radio Eriwan beantwortet sagen wir: „Im Prinzip nein!“ Wie soll ein Walross einen Sprint gewinnen?! Nichts gegen diese Tiere, aber sie sind für mich eher im Bereich des „Luxus“ angesiedelt.
Dicke Wampe, dösen in der Sonne und fressen tonnenweise Fisch, wenn sie nicht gerade beim begatten sind – was aber selten vorkommt – der Anstrengung wegen.
Also. Wie will der Bentley Continental GT Speed einen auf Sportler machen? Wir könnten es kurz machen und uns auf das Technische konzentrieren:
Nichts für den Breitensport aber ein Profi hat auch ein größeres Herz: so ist der neue sportliche Grand Tourer von Bentley mit einem 6,0-Liter-W12-TSI-Motor ausgestattet, der 659 PS – 24 PS mehr im Vergleich zum aktuellen W12-Modell – und ein unverändertes Drehmomentniveau von beeindruckenden 900 Nm bietet.
Seine Vmax liegt bei 335 km/h und von Null auf Hundert rennt das Walross in nur 3,6 Sekunden. Damit ledert der dicke Engländer meinen TT ab, verdammt nochmal!
Um die Schrankwand abzubremsen, verbauen die Engländer im Bentley Continental GT Speed 2021 Bremsscheiben aus Carbon-Siliziumkarbid. Diese sorgen für zusätzlichen Biss und einen herausragenden Widerstand gegen Bremswirkungsverlust.
Bremssättel mit zehn Kolben vorne und vier Kolben an den Hinterrädern bieten eine enorme Bremskraft – die notwendig ist, um bis zu 10 Megajoule Energie bei einer Vollbremsung aus Höchstgeschwindigkeit in Wärme umzuwandeln. Durch das Karbon-Keramik-Material wird zudem mehr als 33 kg Gewicht (ungefederte Masse) eingespart.
Die Bremswirkung dürfte in etwa so sein, wie wenn ich meinen alten Wohnzimmerschrank vom Balkon stürze und er vom Asphalt der Straße auf Null negativbeschleunigt wird!
Zurück zur sportlichen Seite des GT Speed: das Auto hat für 2021 eine neue elektronische Allradlenkung erhalten, die im SPORT-Modus besonders zur Geltung kommt, in dem sie zusammen mit dem Bentley Dynamic Ride-System und einem elektronisch gesteuerten Sperrdifferenzial noch direkter und feinfühliger wird, als sie es ohnehin schon ist.
Bei hohen Geschwindigkeiten werden die Hinterräder in die gleiche Richtung wie die Vorderräder gelenkt, um die Stabilität zu optimieren.
Beim neuen Bentley Continental GT Speed ist das System deutlich aktiver ausgelegt als beim Flying Spur, bei dem die Hauptaufgabe des Systems in der Verringerung des Wendekreises und der verbesserten Stabilität bei hohen Geschwindigkeiten liegt.
Noch Fragen? Nun wie wäre es mit der Dreikammer-Luftfederung mit adaptiver Stoßdämpfung und der aktive 48-Volt-Wankstabilisierung?! Dieses System ist mit leistungsstarken Elektromotoren in jedem Stabilisator ausgestattet, um Wankbewegungen der Karosserie zu verhindern.
In ihrer straffsten Einstellung können diese Motoren in 0,3 Sekunden eine Leistung von 1.300 Nm entwickeln, um Kurvenfliehkräften entgegenzuwirken und Seitenneigungen der Karosserie zu unterbinden. Krass!
Und? Im SPORT-Betrieb wird der doppelt turbogeladene W12 darauf abgestimmt, den Motor durch späteres Hochschalten oder früheres Herunterschalten länger im Leistungsband zu halten. Daraus entsteht ein spritzigeres Ansprechverhalten, wenn der Fahrer das Gaspedal bewegt.
Und? Ganz in Speed-Tradition sind die Gangwechsel des Achtgang-Doppelkupplungsgetriebes im SPORT-Betrieb doppelt so schnell wie beim W12-Standardmodell.
Ja okay. Der Dicke kann Sport. Und was kann der Bentley Continental GT Speed in Sachen Luxus?
Im Innenraum fällt der Materialmix aus Leder und Alcantara angenehm auf, der auch am Lenkrad zu finden ist.
Aber Walpenis-Leder bietet er nicht!
Nein. Und das ist auch gut so. Dafür riecht es ohne das Zeug auch besser im Innenraum, besonders mit Eucalyptus Holz.
Das luxuriöse Interieur kann mit einer Auswahl aus 15 primären und elf sekundären Lederfarben weiter individualisiert werden.
Zudem kann Leder anstelle von Alcantara für die Speed-Farbkombination gewählt werden. Die Mittelkonsole kann außerdem in einer neuen, dunkel getönten Aluminiumoberfläche gestaltet werden.
Für den Bentley Continental GT Speed sind auch verschiedene Furniere verfügbar, angefangen mit Piano Black als Standard.
Zudem stehen Crown Cut Walnut, Dark Stained Burr Walnut und Dark Fiddleback Eucalyptus zur Wahl. Drei offenporige Furniersorten (Dark Burr Walnut, Crown Cut Walnut und Koa) sind zudem als optionale Wunschausstattung verfügbar.
Man muss sagen: Wahnsinn. Bentley hat die Gattung des „Luxus-Sportler“ geschaffen. Ein automobiles Zwitterwesen vom Feinsten. Schade nur, dass sie sich bei Bentley nicht trauen, uns das sprintende Walross für einen „außergewöhnlichen“ Test zur Verfügung zu stellen. Denn diesen hätte ein außergewöhnliches Auto wie der Bentley Continental GT Speed verdient!
Ein Sprint gegen einen Sektkorken. Oder 0 auf 10 Meter gegen einen Sprinter. Oder… Ideen hätten wir da schon! Aber man muss sagen: „well done Bentley!“ (Fotos: Bentley)