Das ich das noch erleben darf: ein Land Rover Defender V8 im Test! Land Rover hat es erkannt: V8-Motoren sind wichtig, gerade jetzt. Vielleicht nicht unbedingt, um das Klima zu schonen, dafür hat es ja Plug-in-Hybride und Elektroautos. Aber für das Wohlbefinden ihrer Käufer. Und darum gibt es jetzt den Defender mit Achtzylinder und 525 PS.
Das Auto erscheint wie ein rollender Anachronismus in Zeiten, in denen die Zulassungszahlen für E-Autos steigen und das Netz für Ladesäulen engmaschiger wird. Doch jüngst hat die EU-Kommission selbst gute Argumente für die Industrie geliefert, so schnell wie möglich noch weitere Motoren mit reichlich Hubraum und Leistung auf den Markt zu werfen.
Wenn künftig keine Verbrenner mehr neu zugelassen werden können, ist ihr Ende besiegelt. Alles, was bis dahin legal fuhr, wird mit großer Wahrscheinlichkeit Bestandsschutz genießen.
Land Rover Defender V8 im Test
Auch wenn es also politisch höchst unkorrekt erscheinen mag, Zweifel an der Nachfrage nach solchen Boliden gibt es nicht. Auch nicht am Vorhandensein einer ausreichenden Zahl von Mitmenschen, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügen.
Der dreitürige Land Rover Defender V8 im Test kostet 123.700 Euro, der Fünftürer mit 110 Zoll Radstand 127.300 Euro. Das sind rund 242 Euro je Pferdestärke. Nach dieser Rechnung ist das Topmodell sogar ein Schnäppchen, denn beim Einsteiger-Defender sind es 21 Euro mehr pro PS.
Ganz neu ist die Idee so eines Brachialantriebs für die Offroad-Ikone nicht. Zum 70.Gebrutstag der ersten Defender-Generation spendierten die Tüftler von Jaguar Land Rover Classic Works dem Wagen ebenfalls einen 5,0-Liter-V8.
Allerdings verblasst dessen Leistung von 405 PS gegenüber dem aktuellen Achtzylinder. Heute sind es 120 mehr und auch das maximale Drehmoment von seinerzeit 515 Newtonmetern stieg um 110 Nm.
Der Kompressor Motor stellt dies ab 2500 Umdrehungen zur Verfügung. Bei 240 km/h Top-Speed braucht sich der nunmehr stärkste Defender überhaupt auf der linken Autobahnspur von aufgemotzten Rennsemmeln keine Frechheiten gefallen zu lassen.
Im Lichte solcher Leistungsdaten erschien es naheliegend, das für diverse Boden- und Pisteneigenschaften einstellbare Terrain-Response-System um einen exklusiven Fahrmodus zu erweitern.
Das Dynamik-Programm des Land Rover Defender V8 im Test sorgt für eine direktere Gasannahme, stellt die Dämpfung des elektronisch geregelten Luftfahrwerks stufenlos und variabel ein, strafft die Lenkung für direkteren Zugriff und optimiert die Antriebs-Schlupfregelung.
Die Feder- und Dämpferraten wurden neu abgestimmt und größere Stabilisatoren eingebaut, um die Seitenneigung in schnellen Kurven zu verringern. Immerhin ist der V8-Defender 1,97 Meter hoch. Ein weiterer Unterschied zu den übrigen Modellvarianten ist das elektronische Hinterachs-Sperrdifferenzial.
Sich optisch allzu sehr in den Vordergrund zu drängen, kann man dem Land Rover Defender V8 im Test nicht vorwerfen. Angesichts der schieren Masse des Zweieinhalb-Tonners wirken die 22-Zoll-Felgen nicht besonders auffällig. Hinter den Speichen der Räder schimmern die Bremssättel in Blau als verstecktes Signal für Kenner.
Den Vierfach-Endrohren entweicht in Fahrt eine voluminöse Klangwolke, wie sie nur ein Achtzylinder authentisch zustande bringt: mal wohlig brabbelnd, mal böse grollend. Die mit Windsor-Leder und Edel-Velours bezogenen Polster schaffen einen Hauch von Luxus im sonst eher auf Strapazierfähigkeit ausgelegten Innenraum.
Head-up-Display und verchromte Schaltwippen zur Bedienung der Acht-Gang-Automatik bringt der Wagen ab Werk mit, ebenso ein umfangreiches Paket an Sicherheits- und Assistenzsystemen. Auf LED-Matrix-Scheinwerfer, einen kameraunterstützten Innenspiegel, Panorama-Glasschiebedach, Infotainment-Anlage mit Zehn-Zoll-Touchscreen und Wattiefen-Sensor braucht auch niemand zu verzichten.
Zu den erstaunlichsten Eindrücken einer Ausfahrt im Defender V8 gehört wohl, dass sein hohes Gewicht kaum spürbar ist, die mit großer Servo-Unterstützung arbeitende Lenkung einen direkten Zugriff vermittelt und die Luftfederung auch im Gelände ein Mindestmaß an Komfort nicht unterschreitet.
Das Beste aus zwei Welten scheint bei dem Land Rover Defender V8 im Test vereint: auf der Straße der druckvolle Antritt und die Souveränität des Sportwagens, in unwegsamem Offroad-Abschnitten der kompromisslose Kletterer, für den echte Hindernisse noch erfunden werden müssen.
Dass auf dem Prüfstand ein Durchschnittsverbrauch von 12,8 Litern je 100 Kilometer (für beide Radstands-Varianten) ermittelt wurde, mag man wohl glauben, in der Praxis sollte man lieber mit 15 Litern kalkulieren, wenn man nicht völlig spaßbefreit unterwegs sein will. Die Anhängelast von bis zu 3,5 Tonnen macht den V8 auch zu einer veritablen Zugmaschine für Boots- oder Pferdeanhänger.
Der Jubiläums-V8 zum Siebzigsten war auf 150 Exemplare limitiert, das aktuelle Topmodell wird gebaut, so lange die Nachfrage reicht. Sie ist natürlich in reicher Zahl aus Nordamerika zu erwarten, aber auch aus dem mittleren Osten. Und dass es aller politischen Bekundungen zum Trotz in Europa eine große Fangemeinde für Old-School-Männerspielzeuge gibt, ist hinlänglich bekannt. (we/aum/afb)(Fotos: Auto-Medienportal.Net/Jaguar Land Rover)
Daten Land Rover Defender V8 im Test
Länge x Breite x Höhe (m): 4,58 (m. Reserverad) x 2,01 x 1,97
Radstand (m): 2,59
Motor: V8 –Benziner mit Kompressoraufladung
Hubraum: 4999 ccm
Leistung: 525 PS (386 kW) bei 6000 U/min
Max. Drehmoment: 625 Nm von 2500–5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 240 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h: 5,2 Sek
Verbrauch (NEFZ 2): 12,8 Liter
CO2-Emissionen: 290 g/km
Leergewicht: 2546 kg
Zul. Gesamtgewicht: k.A.
Gepäckraumvolumen: 397–1563 Liter
Max. Anhängelast: 3500 kg
Bodenfreiheit: 216–291 mm
Böschungswinkel: 37,5 Grad (Luftfahrwerk)
Rampenwinkel: 31 Grad (Luftfahrwerk)
Kippwinkel: 45 Grad
Max. Steigfähigkeit: 45 Grad (100 Prozent)
Wattiefe: 900 mm
Basispreis: 123.700 Euro