Die Simson Schwalbe dürfte das heute noch bekannteste Zweirad der ehemaligen DDR sein. Der populärste Roller aus Ost-Deutschland genießt heute Kultstatus, wird noch relativ häufig auch im Westen der Republik gefahren – und ist wieder auferstanden.
Der in München beheimatete Elektrorollerhersteller Govecs verleiht der Schwalbe wieder Flügel, und zwar elektrische.
Schon zu Beginn dieses Jahrzehnts hatte die neu gegründete Efw (Elektrofahrzeugwerke) in Suhl, der einstigen Heimat von Simson, die Idee der E-Schwalbe entwickelt. Herausnehmbare Batterien mit unterschiedlicher Stärke sollten das einigermaßen im Sinne des Vorbilds gestylte Zweirad 45 km/h und 80 km/h schnell machen.
Doch der Marktstart musste immer wieder verschoben werden. Bevor dem Projekt endgültig drohte, die Luft auszugehen, griff Govecs-Gründer und Schwalbe-Fan Thomas Grübel zu. Dennoch dauerte es weitere rund drei Jahre, bis die Idee kaufbare Realität wurde.
Govecs krempelte das Modell noch einmal nahezu komplett um, verbesserte Antriebs- und Fahrwerkskomponenten und überarbeitete zur Freude der Fans auch noch einmal das Design. Die Govecs Schwalbe sieht dem Original nun zum Verwechseln ähnlich.
Statt der Efw-Idee von Wechselbatterien belassen es die Münchener, die ihre Fahrzeuge in Polen bauen lassen, allerdings bei fest eingebauten Akkus.
Das gut fünf Meter lange Ladekabel ist unter der klappbaren Sitzbank ebenfalls fest mit dem Stromspender verbunden und somit immer an Bord. Platz für ein Fünf-Liter-Fach für Kleinkram und einen USB-Anschluss bleibt da auch noch.
Die Antriebskomponeten im Govecs Schwalbe Test kommen von Bosch. Der Motor des L1e-Fahrzeugs (Kleinkraftroller/Moped) leistet 5,4 PS (4 kW) und verfügt über drei Fahrmodi sowie zusätzlich als Besonderheit über zwei Kriechgänge („Crawl“).
Letztere dienen für das Rangieren im Schrittempo (vor- und rückwärts) des mit 135 Kilogramm eigentlich gar nicht so schweren Rollers. Der Hersteller verspricht bis zu 125 Kilometer Reichweite.
Natürlich verlangen Kleinkraftroller mit ihrem erlaubten Höchsttempo von 45 km/h beim Vorankommen ein wenig Geduld. Bis etwa 35 km/h spielt das Teil im Govecs Schwalbe Test beim Ampelstart in der Stadt aber die Schubkraft eines Elektroantriebs aus.
Da darf so mancher Pkw im Govecs Schwalbe Test erst einmal ein paar Meter zurückbleiben. Eilig darf man es aber, wie gesagt, grundsätzlich mit einem Fahrzeug dieser Klasse nicht haben. Wer in der Ruhe die Kraft sucht, der bleibt in der Fahrstufe „Go“ beim Höchsttempo sogar noch zwei, drei Stundenkilometer unter dem erlaubten Maximum, schont dafür aber die Batteriereserven.
Bei 86 Prozent Batteriekapazität wird im Display eine Reichweite von 93 Kilometern angezeigt. Wer dann über den linken Wippschalter auf „Cruise“ umstellt, dem werden gleich 16 Kilometer weniger in Aussicht gestellt.
Wer die volle Leistung in der „Boost“-Fahrstufe abruft, muss mit noch einmal fünf Kilometern weniger rechnen. Das bringt aber nur einen minimalen Vorteil beim Beschleunigen.
Wer sich mit dem System des „Gangwechsels“ am linken Lenkerende erst einmal angfreundet hat, der springt je nach Bedarf und Verkehrssituation ganz einfach unkompliziert von einem Modus in den anderen. So kann beispielsweise beim Ampel Stopp für die anstehende Weiterfahrt schon einmal bequem der Boost vorgewählt werden. Die Standardeinstellung („Go“) mag man allerdings tatsächlich fast nur in Tempo-30-Zonen benutzen.
Das Informationsdisplay ist bestens bestückt, zeigt unter anderm den Durchschnittsstromverbrauch in Wattstunden pro Kilometer, die prozentuale Restkapazität und die Restreichweite sowie in einem Balkendiagramm den momentanen Leistungsabruf bzw. die Stärke der Rekuperation beim Verzögern an. Beim Ladevorgang wird der Fahrer ebenfalls über alle relevanten Parameter informiert.
Die Restweitenanzeige arbeitet recht exakt, nicht zuletzt, weil sie beim Wechsel der Leistungsstufen sich sofort anpasst. Nach der Datenanalyse unseres Fahrstils im Govecs Schwalbe Test, meldete die Schwalbe nach einer Voll-Ladung einen Radius von maximal 107 Kilometern an (Cruise = 90 km; Boost = 85 km).
Das deckt sich mit den tatsächlich gemachten Erfahrungen. Je nach Restkapazität ist die Batterie nach Herstellerangaben nach maximal viereinhalb Stunden wieder voll und ganz da. Wir kamen bei noch 39 Prozent Energie im Akku auf etwas über drei Stunden, bis die Schwalbe wieder auf 100 Prozent war.
Für den Neuling etwas irritierend ist der rechte Knopf mit der Aufschrift „Go“. Er dient nicht der Aktivierung des Antriebs, sondern dem Abrufen der Bordcomputerdaten. Die Menüführung und die Bedienung der Govecs Schwalbe sind weitestgehend selbst erklärend und einfach gestaltet.
Etwas umständlich ist nur die Startprozedur im Govecs Schwalbe Test. Nach dem Drehen des Schlüssels muss neben dem Handbremshebel zusätzlich noch der „Up“- oder „Down“-Fahrstufenschalter mit dem Daumen oder dem Zeigefinger betätigt werden.
Umdenken ist hier empfehlenswert, denn bei konventionellen Motorrollern zieht man links die Bremse und drückt rechts den Startknopf, während es hier genau umgekehrt besser geht. Nach ein paar Malen hat man aber den Bogen raus.
Trotz des recht breit bauenden Batteriefachs im Mitteltunnel bleibt ausreichend Fußraum. Das Beinschild fällt größer als beim Original aus und bietet damit im Gegensatz zu vielen anderen Scootern recht ordentlichen Wetterschutz.
Eine Schwalbe auf dem Schlüsselring und der Modellschriftzug auf den Fußgummis sowie der recht originalgetreue Heckträger sowie die vorderen (nach hinten abgedeckten) „Ochensaugen“-Blinker zeugen von der Liebe zum Detail, das LED-Licht und die Smartphone-Fähigkeit von der Moderne.
Und einige Liebe zum Kultobjekt muss auch der Käufer mitbringen. Das betrifft nicht nur die 45-km/h-Beschränkung, sondern den Preis von 5390 Euro und die (mit einer Ausnahme in Berlin) ausschließliche Verfügbarkeit über das Internet.
Den bei einem Elektroroller kaum ins Gewicht fallenden, aber von Govecs empfohlenen Jahresservice (alle 5000 Kilometer) kann jede Zweirad-Werkstatt übernehmen. Auf Wunsch kommt auch ein Servicepartner mit einer mobilen Werkstatt, der ebenso bei größeren technischen Problemen zur Hilfe eilt.
In diesen Tagen schiebt Govecs die lange erwartete 90-km/h-Leichtkraftvariante (L3e) mit doppelter Leistung und ebenfalls optionalem ABS nach. Damit übertrumpft die E-Neuauflage den alten Zweitakter bei der Top Speed um 50 Prozent und ist die bislang schnellste in Serie gebaute Schwalbe.
Reichweite? Bis zu 90 Kilometer. Preis? 6900 Euro. (we/ampnet/jri)(Fotos: Auto-Medienportal.Net)
Test Daten Govecs Schwalbe (L1e)
Motor: Elektro
Leistung: 4 kW / 5,4 PS
Max. Drehmoment: 43 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 45 km/h
Beschleunigung 0–45 km/h: unter 5 Sek.
Reichweite: max. 125 km
Batteriekapazität: 4,8 kWh
Sitzhöhe: 840 mm
Leergewicht: 135 kg
Bereifung: 100/80 R 16
Preis: 5390 Euro (zzgl. Überführung)